Wie gründe ich eine Zweigniederlassung in der Schweiz? - Vollständiger Leitfaden 2025
Was ist eine Zweigniederlassung in der Schweiz?
Eine Zweigniederlassung ist ein rechtlich unselbstständiger Teil eines Unternehmens, der räumlich von der Hauptniederlassung getrennt ist. Sie führt Geschäftsaktivitäten unter dem Namen und auf Rechnung des Mutterunternehmens aus, verfügt jedoch über eine gewisse wirtschaftliche und geschäftliche Selbstständigkeit.
Wichtige Merkmale:
- Rechtlich abhängiger Teil der Hauptniederlassung
- Keine eigene Rechtspersönlichkeit
- Eigene Räumlichkeiten und dauerhafte Tätigkeit
- Gewisse wirtschaftliche Selbstständigkeit
- Muss im Handelsregister eingetragen werden
Grundvoraussetzungen für die Gründung
Rechtliche Anforderungen
Obligatorische Voraussetzungen:
- Handelsregistereintrag: Zwingend erforderlich am Sitz der Zweigniederlassung
- Lokale Geschäftsadresse: Physische Adresse in der Schweiz als offizieller Sitz
- Bevollmächtigter Vertreter: Mindestens eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz
- Firmenbezeichnung: Muss mit Hauptsitz übereinstimmen (Zusätze erlaubt)
Zulässige Hauptrechtsformen
Für inländische Unternehmen:
- Aktiengesellschaft (AG)
- Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
- Genossenschaft
- Kaufmännische Kollektiv- und Kommanditgesellschaften
- Einzelfirma (nur kaufmännische Unternehmen)
Nicht zulässig:
- Einfache Gesellschaft
- Nicht kaufmännisch agierende Kollektiv-/Kommanditgesellschaften
Zeichnungsberechtigte Personen
Zwei Varianten möglich:
- Einzelzeichnung: Eine Person mit Wohnsitz in der Schweiz
- Kollektivzeichnung: Zwei Personen mit Wohnsitz in der Schweiz
- Schweizer Bürgerrecht: Nicht erforderlich
- Domizilierung: Professionelle Domizilservices möglich
Gründungskosten und Gebühren
Handelsregistergebühren
Eintragungskosten:
- Grundgebühr: ca. CHF 2'000 (Stand 2024)
- Zusätzliche Gebühren: Je nach Komplexität und Kanton
- Bearbeitungszeit: 1-2 Arbeitswochen
Zusätzliche Kosten
Einmalige Gründungskosten:
- Notarielle Beurkundung: Falls erforderlich
- Übersetzungskosten: Für ausländische Dokumente
- Beratungskosten: Rechtliche und steuerliche Beratung
- Domizilservice: CHF 1'000-3'000 jährlich
Laufende Kosten:
- Buchhaltungskosten: CHF 2'000-5'000 jährlich
- Bankkontoführung: CHF 500-1'000 monatlich (schwierige Kontoeröffnung)
- Steuererklärung: CHF 1'000-3'000 jährlich
- Revisionskosten: Falls erforderlich
Erforderliche Dokumente
Für ausländische Muttergesellschaften
Grunddokumente:
- Handelsregisterauszug: Beglaubigte Kopie aus dem Heimatland
- Gesellschaftsstatuten: Notariell beglaubigte Kopie mit Übersetzung
- Gründungsbeschluss: Protokoll der Verwaltungsratssitzung
- Geschäftszweck-Nachweis: Beweis für identische Tätigkeiten
- Verwaltungsratsverzeichnis: Namen, Nationalität, Wohnsitz
Übersetzungsanforderungen
Amtssprachen:
- Deutsch, Französisch oder Italienisch
- Je nach Standort der Zweigniederlassung
- Beglaubigte Übersetzungen erforderlich
- Legalisierung durch zuständige Behörden
Schritt-für-Schritt Gründungsanleitung
Phase 1: Vorbereitung und Planung
1. Strategische Entscheidungen:
- Standortwahl (Zürich, Zug besonders attraktiv)
- Geschäftszweck definieren
- Organisationsstruktur festlegen
- Finanzplanung erstellen
2. Rechtliche Vorbereitungen:
- Bevollmächtigten Vertreter bestimmen
- Geschäftsadresse sichern
- Firmenname festlegen (identisch mit Muttergesellschaft)
- Zeichnungsberechtigungen regeln
Phase 2: Dokumentenvorbereitung
3. Unterlagen beschaffen:
- Handelsregisterauszug der Muttergesellschaft
- Beglaubigte Statuten mit Übersetzung
- Verwaltungsratsbeschluss zur Zweigniederlassungsgründung
- Nachweis der Geschäftstätigkeit
4. Formelle Anforderungen:
- Dokumente legalisieren und übersetzen
- Notarielle Beglaubigungen einholen
- Vollmachten für bevollmächtigte Vertreter
- Domizil-Annahmeerklärung
Phase 3: Handelsregistereintragung
5. Anmeldung beim Handelsregister:
- Anmeldeformular ausfüllen
- Alle Dokumente einreichen
- Gebühren bezahlen (ca. CHF 2'000)
- Prüfung durch Handelsregisteramt (1-2 Wochen)
6. Eintragungsverfahren:
- Vollständigkeitsprüfung der Unterlagen
- Rechtliche Prüfung durch Behörden
- Eintragung ins kantonale Handelsregister
- Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB)
Phase 4: Operative Einrichtung
7. Geschäftseröffnung:
- Bankkonto eröffnen (schwierig, hohe Gebühren)
- Buchhaltungssystem einrichten
- Steuerliche Anmeldungen
- Versicherungen abschliessen
8. Compliance sicherstellen:
- Mehrwertsteuer-Registrierung
- AHV-Anmeldung für Mitarbeiter
- Arbeitsrechtliche Bestimmungen beachten
- Datenschutz-Compliance
Steuerliche Aspekte und Vorteile
Besteuerung in der Schweiz
Steuerpflicht der Zweigniederlassung:
- Gewinnsteuer: Auf in der Schweiz erwirtschaftete Gewinne
- Kapitalsteuer: Auf das der Zweigniederlassung zugewiesene Kapital
- Mehrwertsteuer: Ab CHF 100'000 Jahresumsatz
- Quellensteuer: 35% auf Zahlungen an Muttergesellschaft
Steuerliche Vorteile
Doppelbesteuerungsabkommen:
- Steuerbefreiung: Bei entsprechenden Abkommen möglich
- Quellensteuerefrestellung: Zahlungen an Muttergesellschaft
- Verlustverrechnung: Mit anderen Schweizer Einkünften
- Holding-Erleichterungen: Bei entsprechender Struktur
Attraktive Kantone:
- Zug: Besonders tiefe Steuersätze
- Zürich: Ausgezeichnete Infrastruktur
- Schwyz: Niedrige Kapitalsteuern
- Basel-Stadt: Internationale Ausrichtung
Buchhaltungspflichten und Compliance
Buchführungsanforderungen
Obligatorische Buchführung:
- Eigenständige Buchhaltung: Separate von der Muttergesellschaft
- Schweizer Standards: HGB/Swiss GAAP FER konform
- Jahresabschluss: Bilanz und Erfolgsrechnung
- Dokumentationssprache: Deutsch, Französisch oder Italienisch
Revisionspflicht
Revision erforderlich bei:
- Bilanzsumme: über CHF 20 Millionen
- Umsatzerlös: über CHF 40 Millionen
- Vollzeitstellen: über 250 im Jahresdurchschnitt
Revisionsstelle:
- Zugelassene Revisionsgesellschaft
- Unabhängigkeit von Muttergesellschaft
- Jährlicher Revisionsbericht
Vor- und Nachteile im Überblick
Vorteile einer Zweigniederlassung
Finanzielle Vorteile:
- Kein Mindestkapital: Keine Kapitaleinlage erforderlich
- Niedrige Gründungskosten: Verglichen mit Tochtergesellschaft
- Steuervorteile: Durch Doppelbesteuerungsabkommen
- Kostengünstige Expansion: Schnelle Markterschliessung
Operative Vorteile:
- Direkter Marktzugang: Zugang zum Schweizer Markt
- Markennutzung: Nutzung des etablierten Markennamens
- Muttergesellschafts-Synergien: Zugang zu Ressourcen und Know-how
- Strategische Kontrolle: Vollständige Kontrolle durch Muttergesellschaft
Nachteile einer Zweigniederlassung
Rechtliche Nachteile:
- Keine Rechtspersönlichkeit: Rechtlich abhängig von Muttergesellschaft
- Unbeschränkte Haftung: Muttergesellschaft haftet für alle Verbindlichkeiten
- Abhängigkeit: Strategische Entscheidungen beim Hauptsitz
- Konkursbetreibung: Betreibung am Sitz der Zweigniederlassung möglich
Operative Nachteile:
- Banking-Schwierigkeiten: Schweizer Banken meiden Zweigniederlassungen
- Hohe Bankgebühren: CHF 500-1'000 monatlich
- Compliance-Aufwand: Doppelte Buchführungs- und Berichtspflichten
- Längere Gründungszeit: Aufwändiger als Tochtergesellschaft
Zweigniederlassung vs. Tochtergesellschaft
Zweigniederlassung wählen bei:
Strategische Überlegungen:
- Kostengünstige Expansion: Minimale Gründungskosten
- Vollständige Kontrolle: Direkte Steuerung durch Muttergesellschaft
- Kurze Markterprobung: Einfache Auflösung möglich
- Steueroptimierung: Nutzung von Doppelbesteuerungsabkommen
Tochtergesellschaft wählen bei:
Langfristige Überlegungen:
- Haftungsbeschränkung: Eigenständige Rechtspersönlichkeit
- Lokale Finanzierung: Eigenständige Kreditaufnahme
- Banking-Vorteile: Einfachere Kontoeröffnung
- Strategische Flexibilität: Autonome Entscheidungen
Häufige Fehler und wie Sie diese vermeiden
Bei der Standortwahl
- Fehler: Nur Steueraspekte berücksichtigen
- Lösung: Ganzheitliche Standortanalyse (Infrastruktur, Talente, Kunden)
Bei der Bankenauswahl
- Fehler: Unterschätzung der Banking-Schwierigkeiten
- Lösung: Frühzeitige Kontaktaufnahme mit spezialisierten Banken
Bei der Compliance
- Fehler: Unterschätzung der Buchführungsanforderungen
- Lösung: Professionelle Buchhaltungsdienstleister einsetzen
Bei der Personalplanung
- Fehler: Arbeitsrechtliche Bestimmungen ignorieren
- Lösung: Schweizer Arbeitsrecht von Anfang an beachten
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie lange dauert die Gründung einer Zweigniederlassung?
Mit vollständigen Unterlagen 4-8 Wochen. Ausländische Unternehmen benötigen länger für Übersetzungen und Legalisierungen.
Kann eine Zweigniederlassung ein Bankkonto eröffnen?
Ja, aber schwierig. Viele Schweizer Banken lehnen ab. Spezialisierte Banken verlangen hohe Gebühren (CHF 500-1'000 monatlich).
Welche Steuern muss eine Zweigniederlassung zahlen?
Gewinn- und Kapitalsteuer in der Schweiz, Mehrwertsteuer ab CHF 100'000 Umsatz, 35% Quellensteuer (oft durch Doppelbesteuerungsabkommen reduziert).
Kann eine Zweigniederlassung später in eine AG/GmbH umgewandelt werden?
Ja, durch Auflösung der Zweigniederlassung und Neugründung einer Tochtergesellschaft.
Muss das Personal der Zweigniederlassung in der Schweiz angestellt sein?
Ja, bei dauerhafter Tätigkeit in der Schweiz gelten Schweizer Arbeitsrecht und Sozialversicherungspflicht.
Checkliste für die Zweigniederlassungsgründung
Vor der Gründung
- Strategische Zielsetzung definieren
- Standort wählen (Kanton und Gemeinde)
- Bevollmächtigten Vertreter bestimmen
- Geschäftsadresse sichern (Domizilservice)
- Finanzplanung inkl. laufender Kosten
Dokumentenvorbereitung
- Handelsregisterauszug der Muttergesellschaft beschaffen
- Statuten übersetzen und beglaubigen lassen
- Verwaltungsratsbeschluss zur Gründung
- Vollmachten für bevollmächtigte Vertreter
- Geschäftszweck-Nachweis erstellen
Gründungsprozess
- Anmeldeformular ausfüllen
- Alle Dokumente beim Handelsregister einreichen
- Gebühren bezahlen (ca. CHF 2'000)
- Eintragung abwarten (1-2 Wochen)
- SHAB-Publikation überprüfen
Nach der Gründung
- Bankkonto eröffnen (spezialisierte Institute)
- Buchhaltungssystem einrichten
- Mehrwertsteuer-Registrierung
- AHV-Anmeldung für Mitarbeiter
- Versicherungen abschliessen
Expertentipps für erfolgreiche Zweigniederlassungen
1. Professionelle Begleitung nutzen:
- Erfahrene Anwaltskanzleien für Gesellschaftsrecht
- Spezialisierte Treuhänder für Buchhaltung
- Domizildienstleister für operative Unterstützung
2. Banking-Strategie entwickeln:
- Frühzeitige Gespräche mit spezialisierten Banken
- Alternative Finanzierungsmodelle prüfen
- Fintech-Lösungen für Zahlungsverkehr
3. Steueroptimierung planen:
- Doppelbesteuerungsabkommen optimal nutzen
- Verrechnungspreise marktkonform gestalten
- Kantonale Steuerunterschiede berücksichtigen
Fazit
Die Gründung einer Zweigniederlassung in der Schweiz bietet ausländischen Unternehmen eine kostengünstige Möglichkeit zur Markterschliessung. Trotz einiger Herausforderungen (Banking, Compliance) überwiegen die Vorteile für strategisch geplante Expansionen.
Wichtigste Erfolgsfaktoren:
- Sorgfältige Vorbereitung: Vollständige Dokumentation und rechtliche Beratung
- Standortwahl: Steueroptimierte Kantone wie Zug oder Zürich
- Professionelle Unterstützung: Erfahrene Berater für alle Bereiche
- Langfristige Planung: Klare Strategie für Marktentwicklung
Empfehlung: Für erste Markttests und kostengünstige Expansion ist eine Zweigniederlassung ideal. Bei langfristigem Engagement sollte eine spätere Umwandlung in eine Tochtergesellschaft evaluiert werden.
Die Schweiz bleibt trotz regulatorischer Herausforderungen einer der attraktivsten Standorte für internationale Geschäftstätigkeiten in Europa.

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